Einlieferung und Operation
Es ist soweit. Die Wartezeit ist vorbei. Endlich. Bei aller Angst. Bei aller Ungewissheit. Aber eben die wird nun bald endlich ein Ende haben. Vielleicht ein schlechtes, hoffentlich ein gutes. Am Tag vor OP-Termin wird sie in der Uniklinik Münster aufgenommen. Um 11 sollen wir zur Einweisung da sein. Es geht etwas chaotisch zu. Wie eigentlich immer und überall in Krankenhäusern. Das Zimmer ist noch nicht fertig, also erstmal im Flur Platz nehmen. Es dauert, wir bekommen mit, dass mehrmals umgeplant wird, in welches Zimmer sie denn jetzt kommt. Zu essen bekommt sie zwei Scheiben Brot, die sie auch auf dem Flur zu sich nimmt. Aber was soll’s. Wir haben echt andere Sorgen als uns über sowas noch groß aufzuregen, auch wenn es natürlich etwas ärgerlich ist. Irgendwann bekommt sie dann endlich ihr Zimmer. Ich bin den ganzen Tag bis spät abends bei ihr. Ich habe mir ein Hotelzimmer in Münster genommen, nicht weit entfernt von der Klinik. Ich weiß nicht mehr, was wir gemacht haben, wahrscheinlich über den Komplex gelaufen, der ja nicht gerade klein ist. Oder draußen herumspaziert. Auf jeden Fall ging irgendwie die Zeit rum. Und in Anbetracht der Umstände (fremder Ort, fremdes Bett, Sorgen) konnte ich sogar recht gut schlafen soweit ich mich erinnern kann.
Die OP sollte direkt um 8 Uhr beginnen. Sie ist die einzige geplante neurochirurgische OP für diesen Tag. Angesetzt sind ca. 6 Stunden, was ja fast einen Arbeitstag ausmacht. Ich bin direkt morgens um 7 Uhr wieder bei ihr, sie ist erstaunlich gut drauf. Und ruhig; so als hätte sie keine Angst. Die Beruhigungstablette nimmt sie trotzdem, kann ja nicht schaden. Der operierende Professor kommt noch einmal herein und setzt sich zu uns. Freut sich, dass ich da bin und weist uns nochmal auf die Risiken hin. Er fragt uns, ob wir sicher sind, dass wir die OP machen wollen und meint, wir können es uns auch jetzt kurz vor der OP gerne noch anders überlegen. Das würde er verstehen bei einer solchen Entscheidung. Macht uns aber auch große Hoffnung, er sieht eigentlich keinen Grund, warum nicht alles klappen sollte. Wir wollen es uns nicht anders überlegen. Die Alternative ist schließlich auch nicht das Gelbe vom Ei. Der Professor speichert sich meine Handynummer und verspricht, direkt nach der OP persönlich bei mir anzurufen.
Kurz vor 8 wird sie dann auch geholt. Ich gehe mit, bis sie durch die Klappe zum OP-Saal verschwindet. Noch keine Spur von Angst; Gott sei Dank, dass sie so ruhig sein kann in Anbetracht dessen, was sie erwartet. Ich bleibe zurück und gehe. Zurück zum Hotel. Machtlos. Abhängig vom Geschick und Können der Ärzte, abhängig davon, wie genau der Tumor aussieht und ob er sich entfernen lässt, abhängig von Gottes Gnade.
Im Hotel frühstücke ich erstmal in Ruhe und lasse ich mir WLAN freischalten. Den einen Euro für sechs Stunden bezahle ich gerne. Irgendwie muss ich die Zeit ja rumbekommen. Ich habe mein Laptop dabei, surfe meine üblichen Seiten an. Das ist nicht viel. Und einfach ziellos im Internet daddeln habe ich noch nie gemacht. Habe mir auch zwei dicke Fußball-Zeitschriften gekauft. Ich lese, surfe, versuche mich abzulenken so gut es geht. Es geht nicht. Zwischendurch mache ich einen Spaziergang, erkunde die Gegend.
Es geht auf 14 Uhr zu. Die 6 Stunden sind vorbei. Jeden Moment muss der Anruf kommen. Er kommt nicht. Ich sollte was essen, habe aber keinen Hunger. Ich bin zu nervös. Und will nicht riskieren, dass ich genau dann angerufen werde, wenn ich unter Menschen bin. Was, wenn es keine guten Nachrichten gibt und mir schlecht wird und ich durchdrehe?
Halb drei. Immer noch nichts. Ich werde immer nervöser. Male mir in Gedanken das Schlimmste aus. Viertel vor drei. Nichts. Drei. Nichts. Aber dann, kurz nach drei klingelt mein Handy. Unbekannte Nummer, das muss der Professor sein. Er ist es.
Sie ist aber noch im OP, die Wirbelbögen werden wieder eingesetzt und die Wunde wird vernäht, das macht nicht mehr der Professor selbst sondern die Assistenzärzte. Leider war der Tumor aufgrund der Größe schon zu sehr mit dem Rückenmark verwachsen, es musste ein Rest dringelassen werden, da sonst die Gefahr, das Rückenmark zu beschädigen, zu groß gewesen wäre. Die Schale. Ich sollte mir deswegen aber keine Sorgen machen. Alles ist gut. Es dauert aber noch, bis ich zu ihr kann. Frühestens um 19 Uhr. Erst muss die OP noch ganz beendet werden, danach kommt sie in den Aufwachraum und dann erst irgendwann auf die Intensivstation zur Überwachung.
Ich breche ich Tränen aus. Tränen der Erleichterung. Tränen der Freude. Es ist geschafft, zumindest so gut wie. Ich wäre dem Professor am liebsten um den Hals gefallen. Auch wenn man natürlich noch nicht weiß, wie genau es ihr geht, aber immerhin ist die OP planmäßig verlaufen. Das reicht mir im Moment zur Freude.
Jetzt kommt der Hunger. Wo der Burger King ist, weiß ich. Da ich noch viel Zeit habe, mache ich mich aber zu Fuß auf die Suche nach einem McDonalds, der angeblich auch in der Nähe in einem Gewerbegebiet sein soll. Trotz Navi-App finde ich ihn nicht. Ich gehe zurück zum Hotel und fahre mit dem Auto zum Burger King. Es schmeckte nie besser!
In Teil 9 schildere ich, wie es ihr nach der ersten OP geht.
Hinterlasse einen Kommentar