Der Kampf zurück ins Leben

Die Reha ist nun also zu Ende. Zumindest offiziell. Inoffiziell wird sie das vielleicht nie sein. Also sie ist wieder zuhause, nicht mehr in der Klinik. Jetzt geht die Reha zuhause weiter. Mit wöchentlichem Reha-Sport, aber auch mit dem ganz normalen Alltag. Wie schon Ende des letzten Teils erwähnt, kann sie mithilfe des Rollators gehen. Zwar langsam, aber immerhin. Es ist ihr aber sehr unangenehm, als junge Frau mit einem Rollator auf der Straße gesehen zu werden, was ich absolut verstehen kann, daher geht sie in der ersten Zeit nur selten alleine raus. Mit mir zusammen kann sie auch ohne Rollator gehen, wir machen also abends viele Spaziergänge. Zuerst sind sie nur ganz kurz mit kleinen Pausen, aber mit der Zeit geht es immer besser. Im Haus kann sie sich zwischendurch festhalten, da geht es dann glücklicherweise auch ohne Hilfsmittel. Es dauert nicht lange, da braucht sie den Rollator gar nicht mehr, mit Walking-Stöcken kann sie sogar alleine vor die Tür. Es ist gar nicht mehr möglich, genau zu sagen, wie lange die einzelnen Phasen wirklich dauern. Es geht zwar doch etwas schneller als gedacht, aber trotzdem schleichend. Ist ja nicht so, dass plötzlich ein Schalter umgelegt wird und alles geht wieder.
Die OP-bedingten Schmerzen sind natürlich bald Geschichte, allerdings tut ihr schnell der Rücken weh. Wahrscheinlich von der Anstrengung und weil auch dort die Muskeln ziemlich abgebaut haben. Außerdem wurden die Muskeln in dem Bereich ja auch „zur Seite geschoben“, wobei kleine Risse entstanden sind. Das alles muss sich erst geben.
Sie hat wochenlang mit starker Übelkeit zu kämpfen. Also nicht dauerhaft, es kommt ganz plötzlich und unerwartet. Dann muss sie sich hinlegen, oft leider auch verbunden mit Erbrechen. Das hält dann eine gewissen Zeit an, so eine halbe bis eine Stunde, und danach geht es wieder. Das aber so ziemlich jeden Tag, manchmal auch mehrmals. Eine Erklärung gibt es dafür nicht, sagen die Ärzte, aber wir vermuten, dass es einfach die Überlastung ist.
An einen Tag kann mich aber noch erinnern, es ist der 15. November, also ca. dreieinhalb Monate nach den OPs. Da hat sie wirklich zum ersten Mal das Gefühl und es auch so gesagt:

Die Übelkeitsattacken sind länger nicht mehr aufgetreten und auch sonst fühlt sie sich kräftiger. Natürlich bleibt das nicht jeden Tag so, es gibt auch kleinere Rückfälle, aber insgesamt merkt man doch, dass es ganz langsam besser wird.
So geht das Leben weiter, mit Höhen und Tiefen. Insgesamt merkt man hier und da Verbesserungen, der Gang wird sicherer, sie wird sicherer im allgemeinen Auftreten. Sie traut sich irgendwann auch wieder, etwas alleine zu machen. Diese Sicherheit hatte sie lange nicht. Den Duschhocker braucht sie sehr bald nicht mehr, auch der Haltegriff ist bald überflüssig. Das sind gute Zeichen.
Trotzdem muss man sich wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass es nie wieder so wird wie früher. Die Empfindungsstörungen in den Beinen werden kaum besser. Manchmal hat sie zwar den Eindruck, dass sie etwas mehr spürt, aber das ist eben ein so schleichender Prozess, dass es kaum wahrnehmbar ist. Das rechte Bein spürt sie zwar so, es reagiert aber kaum auf Berührungen. Man muss ihr schon fast wehtun, damit sie dort etwas merkt. Links ist da etwas empfindlicher, dafür spürt sie das linke Bein so quasi gar nicht. Das macht das Gehen natürlich etwas kompliziert. Sie merkt nicht, wenn sie irgendwo drauftritt oder mit dem Fuß hängenbleibt. An Fahrradfahren ist zurzeit gar nicht zu denken. Eben weil sie ihr linkes Bein nicht spürt, ist auch der Gleichgewichtssinn nicht wirklich da. Und auch Autofahren klappt nicht. Die Kupplung wird schließlich auch mit links betätigt. Gerade letzteres ist ein ziemlicher Schlag für uns. Bei uns auf dem Land ist man schon irgendwo auf das Auto angewiesen, gerade sie braucht es, um zur Arbeit zu kommen. Das mit der Arbeit wird ohnehin noch etwas dauern, daher ist es nicht so akut, aber wir fangen schon an, uns mit dem Gedanken anzufreunden, ein neues Auto kaufen müssen, eines mit Automatikgetriebe.
Vielleicht wird die Zeit das alles irgendwann richten, aber wahrscheinlich müssen wir uns damit abfinden, so wie es ist. Auf jeden Fall ist der Weg zurück in den Alltag ein sehr langer und harter Kampf.

Von der ersten Nachuntersuchung könnt ihr in Teil 14 erfahren.